Der Freikampf/ Chayu Taeryon im Traditionellen Taekwondo.

Im Freikampf dem sogenannten Chayu Taeryon, findet alles Gelernte  sowie alle Erfahrungen seine Anwendung. Hier finden sich die zahlreichen technischen Übungsabläufe, oftmals wiederholte Trainingssequenzen, das Wissen aus den Hyongs und dem Bruchtest wieder. Im Chayu Taeryon werden sie weitergeübt und bis zur Perfektion gebracht. Dies gilt für die körperlichen wie auch die geistig- gedanklichen Aspekte.

Beim Einschritt- Zweischritt- Dreischrittkampf waren noch die Abläufe und so der Vorgang schemenhaft vorgegeben.

Beim Chayu Taeryon ist der Schüler reif für eigenständiges Agieren, er ist an einem Punkt angelangt, wo er seine eigene Kreativität, seinen Einfallsreichtum, seine Erfahrung und sein Können in den Freikampf mit dem Partner einbringen kann. Dies beinhaltet natürlich auch eine hohe Verantwortung für seine Aktionen, aus diesem Grunde darf der Freikampf auch erst ab einer gewissen Stufe vollzogen werden.

Der Schüler ist nun in der Situation, in der er seine gesamte Erfahrung, sein Können, seine Begabung und vor allem seine Kreativität einbringen muss, um gegenüber dem Partner bestehen zu können. Dies hat zur Folge, dass sich sein Ideen- und Einfallsreichtum erweitert, er entwickelt zwangsläufig ein größeres Übersichtsvermögen und die Gedanken weiten sich aus. Nicht ohne Folgen auch im privaten und beruflichen oder schulischen Bereich.

Der Körper wird zum „Werkzeug“ des Geistes, durch die vorangegangene Schulung ist er in der Lage die Angriffs- und Verteidigungskonzepte, welche der Geist im vorgibt, umzusetzen und so den Sieg davon zu tragen.

Selbstverständlich unterliegt der Freikampf gewissen Regeln, denen sich die Partner unterzuordnen haben. Oberstes Gebot ist, dass der Freikampf kontaktlos erfolgen muss. Das bedeutet, jeder Schlag, jeder Kick ist kurz vor dem Partner abzustoppen. Vorsätzliches Verletzen des Partners ist nicht im Sinne des Traditionellen Taekwondo. Wahlloses hineinprügeln und kicken in das Gegenüber hat mit Traditionellem Taekwondo nichts zu tun. Grundsätzlich sollte ein Freikampf immer zwischen zwei Partnern erfolgen, welche etwa den gleichen Ausbildungsstand haben. Der Meister fungiert als Wettkampfleiter und sorgt dafür, dass die Regeln eingehalten werden und ein fairer Freikampf im Sinne des Taekwondo stattfindet.

Bewertet werden sowohl gute Angriffsstrategien wie auch die gekonnte Verteidigung mit Konterangriffen. Auch geschickte Ausweichbewegungen und die Herausarbeitung einer guten Angriffsposition sind von Bedeutung.

Die Partner müssen sich eine Systematik eines möglichst geschickten und überraschenden Angriffs zurechtlegen. Sind beim Partner Schwächen zu erkennen, so gilt es sich diese durch eine geeignete Strategie zunutze zu machen. Ist man selbst in einer ungünstigen Position so gilt es diese möglichst schnell zu verlassen und mit Geschicklichkeit und Taktik die Lage zu verbessern. Kein Angriff soll blind erfolgen, es muss immer eine durchdachte Strategie dahinter stehen. Dies natürlich immer, um gegen Gegenangriffe gewappnet zu sein, bei einer lückenlosen Verteidigung.

Natürlich sind auch entsprechende Überraschungsmomente hilfreich. Man kann einen Scheinangriff mit dem einen Bein andeuten, um dann mit dem anderen Bein den tatsächlich und wirkungsvollen Angriff zu vollziehen, auf den der Gegner nicht vorbereitet ist. Oder man zeigt eine vermeintliche Schwäche, auf die der Partner angreift und kontert diesen dann geschickt aus.

Es werden also alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die man im Laufe des gesamten Taekwondo- Trainings erlernt hat. Es gibt keine Einseitigkeit und richtig ausgeführt bedarf der Freikampf der Arme und Beine auf beiden Seiten, um ein optimales Ergebnis zu erzielen.

Da die Techniken mit höchster Geschwindigkeit und Genauigkeit durchzuführen sind, ist der Freikampf erst ab einem Grad möglich, welcher dazu befähigt.

Wie aus dem Beschriebenen ersichtlich, ist der Freikampf keine Keilerei, auch ist die Kraft nicht entscheidend. Im Freikampf/ Chayu Taeryon ist in erster Linie die geistige Arbeit, Kreativität, Schnelligkeit, Genauigkeit usw. entscheidend. Der Körper wird zum Instrument des Geistes, dem er sich unterzuordnen hat.

Die Teilnehmer im Freikampf sind nicht Gegner, sie sind Partner, welche sich gegenseitig Achtung und Respekt erweisen. Sie spornen sich gegenseitig zu Höchstleistungen an und erreichen so ein Niveau, zu dem jeder Einzelne für sich alleine nicht fähig wäre. Ist ein Taekwondo- Athlet gut in dieser Disziplin ausgebildet, so erkennte er bereits was sein gegenüber vorhat, noch ehe dieser seine Attacke starten kann. Ein derartiges Können hat selbstverständlich seine Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein der Schüler/Meister und stellt eine Möglichkeit zur Selbstverteidigung, für sich oder andere, in sehr hohem Maße dar.